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Parteipolitische Inzucht: Warum das so ist (am Beispiel Diepgen)

30 Jun
30. Juni 2019

Blog 208, Juni 2019

Globalisierungserfahrung nicht nur per Fototapete erwünscht

Guten Tag, bitte lesen Sie doch mal die folgende Textpassage. Vielleicht fragen Sie sich dann, was ich mich frage:

Diepgen war ein Geschöpf der durch parteiliche Inzucht geprägten politischen Szene von West-Berlin. Hier hatte er seinen Weg gemacht und Erfahrungen gesammelt, nur hier war er politisch verwurzelt. Bei allem staatsmännischen Anspruch hatte er daher auch eine ihr parochiale Sicht der Dinge. Er gab sich gerne offen und bieder, neigte aber, wie ich – und nicht nur ich – schon im Bundeskanzleramt gemerkt hatte, zu Tricks und Winkelzügen, die ihm gegenüber Vorsicht angeraten sein ließen und vor allem deutlich machten, dass ihm trotz pathetischer Erklärungen, in denen er sich gefiel, die große politische Linie fehlte. Er war intelligent und geschickt, verfügte jedoch nicht über wirkliche politische Gestaltungskraft.“*

Befreit man diese Beschreibung von den Berliner Zutaten und der Person Diepgen, dann kann man sich fragen, ob nicht viele Bürgermeister hierzulande so oder so ähnlich charakterisiert werden können. Wer in Parteien aufsteigen will, darf eines nicht: Er/Sie darf sich nicht den Wind um die Nase wehen lassen. Auslandsaufenthalte oder auch nur etwas längere berufsbedingte Abwesenheit vom Heimatort sind aufstiegshemmend,- wahrscheinlich sogar -verhindernd. Andere Möchtegern-Aufsteiger füllen nämlich sofort die Lücke so, dass der Rückkehrer zwar möglicherweise besser qualifiziert ist als vordem, aber nunmehr chancenlos. Die Differenz an Lebenserfahrung zwischen Politik und Wirtschaft, in letzterer ist mittlerweile die erfolgreiche Karriere notwendig von der Bewährung an verschiedenen Orten auch im Ausland in unterschiedlichen Aufgabenstellungen abhängig, wird somit immer größer. Gleiches gilt in etwas abgeschwächterer Form für die Differenz zwischen Ministerialbürokratie und kommunaler Repräsentanz.

Kennt jemand eine Untersuchung zur Direktwahl der Bürgermeister mit der Frage, ob direkte Wahlen die Chancen von Quereinsteigern mit globalisierungsgeprägten Biografien erhöhen? Das wäre dann tröstlich. Allerdings müsste die Wählerschaft stärker die Biografien der Kandidaten unter diesem Gesichtspunkt bewerten.

Mit herzlichen Grüßen
Henning v. Vieregge

*Die Passage findet sich bei Claus J. Duisberg, Das deutsche Jahr, Einblicke in die Wiedervereinigung 1989/90, Berlin 2005, S.337
Der Autor war im auswärtigen Dienst in verschiedenen Botschaften (Moskau, Washington, Neu-Delhi), bevor er zu seiner eigentlichen Berufung fand: durch die Arbeit an der Ständigen Vertretung in Ostberlin von 78-82, und von 1986 bis zur Wiedervereinigung im Bundeskanzleramt für die Beziehung zur DDR zuständig, danach Leiter der Dienststelle des Auswärtigen Amtes in Berlin, später Beauftragter für den Abzug der russischen Truppen, zuletzt bis zur Pensionierung Botschafter in Brasilien.

Mainzer Appell, Ein bürgerschaftlicher Debattenbeitrag

18 Jun
18. Juni 2019

Blog 207/Juni 2019
2019 Mainz-Appell Auftakt

Guten Tag, heute wurde das Geheimnis gelüftet: der Mainz-Appell mit sieben Wünschen zur Zukunft der Stadt wurde vorgestellt.
Erarbeitet hat ihn eine Gruppe von Bürgern, die sich nur zu diesem Zweck zusammengefunden hat.
Mehr dazu unter www.mainzerappell.de
Dort kann dem Appell beigetreten werden.
Erstunterzeichner sind Prof. Dr. Dr. Andreas Barner, Thomas Dang, Jürgen Hill, Günter Jertz, Bernhard Nellessen, Anja Obermann, Lars Reichow, Prof. Dr. Andreas Rödder, Dr. Henning v. Vieregge, Prof. Dr. Gregor Wedekind und Dr. Elena Wiezorek.

Mit herzlichen Grüßen
Henning v. Vieregge

Heimathasser, Heimatliebhaber und Heimatverlassene, ein Essay und zehn Thesen zur Nachbarschaft

13 Jun
13. Juni 2019

Blog 206, Juni 2019

Guten Tag,
die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Die Politische Meinung“ steht unter dem Schwerpunkt „Dienst: Menschen schützen. Menschen helfen“.
Mein Beitrag darin lautet: „Spirale des Positiven: Heimat und Vertrauen.“

2019 Henning von Vieregge_Spirale des Positiven

Wo die Spirale anfängt:

Passend dazu möchte ich 10 Thesen zu Nachbarschaft zur Diskussion stellen:

1. Soziale Beziehungen stärken die Resilienz. Sie helfen also, nach Niederschlägen wieder aufzustehen.
2 . Wer keine sozialen Beziehungen hat, ist einsam. Der einsam ist, lebt schlechter und stirbt früher.
3. Nachbarschaft ist so wichtig wie Familie und Freunde, ist aber das schwächste Glied in der Beziehungskette. Nachbarschaft in der Stadt, speziell im Hochhaus, funktioniert selten gut. Es bedarf Menschen wie Frau Soller (beschrieben in ruhige Straße in guter Wohnlage, die Geschichte meiner Nachbarn von Pascale Hugues, einer französischen Journalistin, die nach Berlin zog.) Oder eben eine Plattform wie neben an DE als Kontaktanwärmer (die Geschichte der SWR Journalistin, die im Streit mit ihrem Obernachbarn wegen Blumenwasser, das runterrieselt, liegt und über neben an DE sich traut, in den persönlichen Kontakt zu gehen)
4. Im Netz pöbeln die Angsthasen. In ihren Blasen stärken sich die Angsthasen die Rücken bis hin zur Radikalisierung. Es gibt sogar die Selbstradikalisierung, die aus muslimischen Normalos islamistische Terroristen macht. Mord auf amerikanische Soldaten am Frankfurter Flughafen. Die Blasen sind durchlässig. Das verstärkt ihre Wirkung. Algorithmen feuern immer neue Salven. Schlechtes Benehmen im Netz und schlechtes Benehmen auf der Straße hängen zusammen. Das Unzivile, ja Antizivile in der Gesellschaft wächst.
5. Nebenan.de ist der manierliche Gegenentwurf im Netz. Hier beweist sich, dass nicht moralische Aufrufe, sondern gescheite Regeln helfen. Verhältnis Prävention statt Verhaltensprävention, das ist nicht nur im Netz das richtige Vorgehen. Klarnamen, Adressen Wahrheit und abgegrenzte Wirkungsraum (Quartier), das ist das Erfolgsgeheimnis von neben an DE.
6. Nachbarn sollten mehr feiern. Deswegen hat nebenan.de in diesem Jahr zum zweiten Mal zum Tag der Nachbarn aufgerufen; daraus könnte eine gute Gewohnheit werden.
7. Die Wiederentdeckung des Quartiers ist der Wunsch der Bürger (einflussreich Klaus Dörner, Leben und Sterben, wo ich hingehöre, Dritter Sozialraum und neues Hilfesystem und des Staates, der hofft, auf diesem Weg die Schwierigkeiten des demographischen Wandels mit einem enormen Zuwachs der älteren Generation und einer Bevölkerungs Verschiebung in die dichter besiedelten Räume besser bewältigen zu können. Ein neuer Mix von Haupt und ehrenamtlichen im Quartier, das ist die Idee.
8. Familie bleibt wichtig, wird aber als Hilfesystem schwächer (Globalisierung, Karriere von Frauen)
9. Mit Familie muss jeder, mit Freunden kann jeder. Aber: Geld und körperliche Nähe Schwachpunkte.
10. Zivilität entsteht im Dreierschritt: Gruß, kleine unverbindliche Hilfe, institutionelle Hilfe, am besten auf Gegenseitigkeit.

Mit herzlichen Grüßen
Henning v. Vieregge

Hallo, Frau Nachbarin!

Verwirrung: Der neue Nachbar stellt sich vor

21 Mai
21. Mai 2019

Blog 205/Mai 2019
Guten Tag,
es ist schwieriger geworden, sich Nachbarn zu nähern. Der Brauch, dass der Neuling sich seinen Nachbarn vorstellt, ist irgendwann aus der Mode gekommen. A. V. lud beim Einzug ihrer kleinen Familie alle Hausbewohner mit einem Brief zum Kennenlernkaffee ein. Von 13 Angeschriebenen meldeten sich zwei. Die einePartei konnte terminlich nicht, die andere kam. Der Rest: Schweigen.
Das hat sie nicht entmutigt. Da sie auf der Klingel unten rechts steht, ist sie mittlerweile Anlaufstelle für den Paketboten. Und weil sie die Sendungen weder mürrisch noch wortlos ihren Nachbarn übergibt, hat sich inzwischen im Haus etwas getan. Babywäsche wird weitergegeben, selbst gebackener Kuchen vorbeigebracht, Kleinkinder vom Nachbarn gehütet. Die Distanz ist nicht aufgegeben, aber es ist ein freundliches Miteinander, gewissermaßen ein Grundrauschen an Beziehung im Haus entstanden. Erst wenn diese Beziehungen
in akzeptierte Gewohnheit (»So machen wir das hier in unserem Haus«) übergehen, wird der Auszug von V. das inzwischen Aufgebaute nicht
wieder veröden lassen.

Ein schönes Beispiel der Vertrauensbildung beschreibt der Journalist Sebastian
Kempkens in der Wochenzeitung »Die Zeit«
. Er ist neu in ein Haus
gezogen. Die Wohnung wurde auf den fünfstöckigen Bau aufgesetzt, und
der Autor fragt sich, jung und feierfreudig, wie er zusammen mit seinem
Freund ist, ob ihn die Mietpartei unter ihm nicht eigentlich hassen müsste.
Es ist ein altes Ehepaar, das schon seit Jahrzehnten im Haus wohnt. Er
nimmt seinen Mut zusammen und besucht das Paar. Frau Otto sagt: »Nachbarschaft
gibt’s hier doch gar nicht mehr. Fängt ja schon damit an, dass
einen keiner mehr grüßt!« Einige Wochen später fragt der Autor nach einer
weiteren lauten Feier, ob dies für das alte Ehepaar sehr störend gewesen sei.
Darauf sagt Herr Otto: »Ach, nicht der Rede wert, wir sind ja jetzt Nachbarn.«
Bedarf und Bedürfnis zum Ausbau nachbarlicher Bindungen sind also
vorhanden, die Furcht, sich etwas dabei zu vergeben, ist aber ein Hemmnis.

Mit herzlichen Grüßen
Henning v. Vieregge
Quelle: Auszug aus meinem Buch „Wo Vertrauen ist, ist Heimat- Auf dem Weg in eine engagierte Bürgergesellschaft“, oekom München 2018 S.83

Gerade erreichte mich eine Kurzrezension von Prof.Dr. Manfred Domrös: „Ganz schön mutig, aber voll zutreffend und nachdrücklich dokumentiert: Engagiertes Leben lohnt sich. Und hilft, stärkt Vertrauen und schafft Heimat. Danke für die vielen wissenschaftlich fundierten als auch praktischen Hilfestellungen, die Mut zum Engagement machen. Richtig: ‚Ohne Engagement geht wenig gut.‘ (Seite 214). Denn: ‚Es ist nicht wenig, was in unserer Hand ist.‘ (Seite 221). Das erfrischende und lebendig geschriebene Buch aus einer reichen Expertenerfahrung lohnt sich gelesen zu werden. ‚Heimat‘ wird trefflich in den Focus gerückt.

TV- Beitrag zum Buch „Wo Vertrauen ist, ist Heimat“

05 Mai
5. Mai 2019

href=“https://www.vonvieregge.de/cms/wp-content/uploads/2019/05/player1.htm“>player[1]Blog 204/ Mai 2019

Guten Tag

in der Sendung Landesart im SWR Fernsehprogramm Sonntag, 5. Mai 1845 Uhr wurde ich zu meinem Buch interviewt.
Der kurze Beitrag ist in der swr-Mediathek einsehbar.
Das Interview war natürlich viel länger, aber es wurde fair gekürzt.
Die Interviewerin ist Patricia Küll.

Mit herzlichen Grüßen
Henning v. Vieregge

https://swrmediathek.de/player.htm?show=edd89191-6e90-11e9-a7ff-005056a12b4c

Vorbereitendes Papier zum Interview

1. „Wo Vertrauen ist, ist Heimat“ heißt die Neuerscheinung des Mainzer Autors Henning von Vieregge. Auf dem Weg in eine engagierte Bürgergesellschaft ist der Untertitel. Was hat bürgerschaftliches Engagement mit dem Gefühl von Heimat zu tun?

Ich hätte das Buch nicht geschrieben, wenn der Zusammenhang nicht ein wenig kompliziert wäre. Heimat hat mit Ankommen, mit Zugehörigkeit zu tun. Zugehörigkeit entsteht wesentlich durch soziale Kontakte. Die höchste Form des sozialen Kontakts ist meiner Überzeugung nach bürgerschaftliches Engagement, also der beachtliche Einsatz für den Nächsten, der nicht zu meiner Familie gehört.

2. D.h., für Heimatgefühle ist es nicht mehr unbedingt entscheidend, dass ich an einem bestimmten Ort oder in der Nähe meiner Familie lebe?

Was für Menschen Heimat ist, entscheiden diese. Es gibt beispielsweise türkische Nachbarn, die sagen, ich wohne in Mainz, aber meine Heimat ist das Dorf, aus dem ich stamme, denn dort ist der Friedhof. Den Begriff Heimat müsste es eigentlich im Plural geben. Ich kann an verschiedenen Orten beheimatet sein und dies auf verschiedene Weise. Der soziale Kontakt ist dabei ganz wichtig.. Und dazu kann jeder von uns beitragen. Und der beginnt mit einem Gruß, einem freundlichen Zunicken. Das ist weniger als verlässliche Hilfestellung, aber ungeheuer wichtig zum Gefühl, angekommen und angenommen zu sein. Ich habe eine Freundin gefragt, wann sie sich an ihrem neuen Wohnort beheimatet geführt hat. Sie sagte, als es klingelte und eine mir fremde Frau in der Tür stand. Sie sagte, unsere Kinder sind zusammen im Kindergarten und da wollte ich dich kennen lernen.

3. Sie leben seit einigen Jahren in Mainz. Wann und wie haben Sie sich dort beheimatet gefühlt?

Ich bin ja in ein Beziehungsgefüge meiner damaligen Freundin und jetzigen Frau gekommen. Das war ein Anfang, ein Geschenk. Dann die Bereitschaft, sich die Stadt mit den Augen eines Touristen anzuschauen. Zu flanieren. Im Stadtteil mit der digitalen Plattform nebenan.de eine Nachbarschaft über das Netz aufbauen. Den Lokalteil der Zeitung zu lesen. Entscheidend aber war die Auseinandersetzung um die Erweiterung des Gutenbergmuseums. Ich war für den Bibelturm und geriet über Freunde in die Bürgerinitiative, wurde einer der beiden Sprecher. Wir haben den Bürgerentscheid haushoch verloren. Aber ich habe Freunde gewonnen und in kurzer Zeit so viel über die Stadt gelernt, dass Sie nun für mich meine neue Heimat geworden ist. Heimatsbildung ist nie abgeschlossen. Es gibt Beheimatung und Entheimatung. Wenn Entheimatungstendenzen spürbar sind, wenn Menschen darüber klagen, dass sie sich dort, wo sie sich immer beheimatet fühlten, nun nicht mehr zu Hause fühlen, muss man aufpassen. Nicht nur Politiker, sondern auch wir selber sind dann gefragt. Getreu dem Motto „Lass Dir die Fremde zur Heimat, aber die Heimat nie zur Fremde werden!“

Selbstbeheimatung: ein Vorschlag

24 Apr
24. April 2019

Blog 203, April 2019
Guten Tag, jemand ist neu in der Stadt, vergleicht sie mit dem Ort, wo sie herkommt und ist nicht froh. „Wäre ich doch in X-Stadt geblieben“, schreibt sie. Und wenn das nicht geht? Dann hilft nur Selbstbeheimatung. Die Liste enthält dazu Vorschläge.

1. Flanieren
2. Am Ort einkaufen
3. Auf Nachbarn zugehen
4. Die unmittelbare Natur kennenlernen
5. Im Ort essen gehen
6. Lokalteil lesen
7. Vor Ort etwas Neues machen
8. Am Ort sich Freunde machen
9. Sich engagieren (erst einmal in Projekten)
10. Loyal bleiben

Quelle: Henning von Vieregge, Wo Vertrauen ist, ist Heimat, Auf dem Weg in eine engagierte Bürgergesellschaft, München 2018 S. 172

Viel Erfolg damit.

Mit herzlichen Grüßen
Henning v. Vieregge

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