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Verbändekritik von innen: Was kann man tun?

08 Apr
8. April 2014

Brief 61/ April 2014

Guten Tag,

es gibt immer wieder die Empfehlung an Organisationen, sich als oder doch mindestens wie eine Marke zu positionieren. Eine beliebte , weil Aha-Effekte beim Publikum hervorrufende, Aufgabe lautet: Wenn Ihre Organisation ein Mensch wäre, welches Auto führe er (oder sie? Da fängt das Desaster bei den Verbänden ja schon an), welche Zeitung liest er, wie ist seine Wohnung eingerichtet, welche Musik hört er, was hält er vom Stichwort „Digitale Demenz“?

Verbände werden so ganz hurtig als seriös-langweilige, ängstliche Organisationen ohne Pep und Format beschrieben. Die Mitarbeiter, die Mitglieder, die Stakeholder: die Unterschiede in der kritischen (Selbst)-Beschreibung sind minimal. Entsprechend gelten Kritiker solcher pauschalen Verbandsschelte, die merkwürdigerweise sich nicht auf die der Wirtschaft nicht verbundenen Nichtregierungsorganisationen von Amnesty bis Kindernothilfe erstreckt, als positivistische Langweiler. Wer seinem Verband in den Senkel stellt, muss sich als Mitglied hingegen über die Konsequenzen seines Tuns klar werden: Er oder sie hat sich soeben als Kandidat für den Vorstand geoutet.

Man muss Verbände nicht lieben. Personen sind zu lieben, nicht Institutionen. Verbände sind immer gefährdet, von ihren hauptamtlichen Mitarbeitern ausgenutzt zu werden, die ihre ureigenen Interessen mitunter dreist zum Interesse der Institution erklären. Gerade wirtschaftlich nicht angebundene Interessenorganisationen sind hier besonders gefährdet, wie die aufgeputzten Stiftungshäuser in feinsten Stadtlagen belegen. (Oder ist dies eine Satzungsaufgabe?) Anders (zumeist) in Verbänden: Hier  regieren die Mitglieder und passen auf. Es gibt also auch berechtigte, ja dringend notwendige Verbandskritik. Austrittsdrohung und Austritt bleiben wuchtige Keulen der Korrektur bei Fehllauf. Organisationen wie die Kammern mit ihrer Pflichtmitgliedschaft haben an dieser Stelle ein schmerzhaftes Legitimationsproblem.

Man kann die Kritik an Verbänden auf einige Grundmuster konzentrieren. Und sich dann ans Antworten machen. Ich habe dies im VerbändeReport Jan./2014 in Briefform an einen Kritiker getan.

Sie können sich den Brief hier runterladen.

HGF Brief Verbändereport

 

Mit herzlichen Grüßen

Henning v. Vieregge

 

Abfall-Robin-Hood erledigt? Lehrstück einer Diffamierung

12 Mrz
12. März 2014

Brief 60/2014 vom März 2014

Guten Tag

Rainer Schäfer sammelte seit 28 Jahre weitgehend unbemerkt Müll in eigene Säcke und auf eigenen Fährten. Vor einigen Monaten wurden die Medien auf ihn aufmerksam. Er hatte sein Revier nach Mainz ausgedehnt und ZDF, SWR und auch die Mainzer Allgemeine hatten es bemerkt. Aus Rainer Schäfer wurde der Abfall-Robin-Hood.

Ich hatte in meinen Briefen 54,56 und 57 berichtet, wie die der Mainzer Entsorgungsbetrieb auf den zunächst anonymen Sammler reagiert hatte („Eigentlich unerlaubt, macht uns Mehrarbeit“). Als Schäfer mittlerweile als Person in der AZ und anderswo vorgestellt, bei seiner zweiten Runde in Mainz monierte, von ihm gemeldeter Sondermüll sei immer noch nicht weggeschafft, musste mit dem Mann aus Kröv an der Mosel was passieren.

Nahegelegen hätte, der Oberbürgermeister, die Abfalldezernentin oder der Leiter des Entsorgungsbetriebs hätten sich ein persönliches Bild von dem ungewöhnlichen Mann gemacht. Das passierte nicht. Stattdessen wurde dem Hartz Vierer schriftlich eine Bewerbungsaufforderung zugeschickt.  Am 17.2. fand sich dann ein Vierspalter mit Foto und Kommentar in der Mainzer Rhein Main Presse. Überschrift: „Abfall-Robin-Hood“ lehnt Job ab. In dem Beitrag wurde der Leiter des Mainzer Entsorgungsbetriebs zitiert: „Wir haben ihm einen Job als Straßenreiniger offeriert. Damit kann man auskommen und Herr Schäfer hätte etwas Festes“. Man habe seine Aktionen begrüßt und könne tüchtige Menschen wie ihn brauchen. Im Kommentar unter der Überschrift „Kein Happy End“ wird dann der entscheidende Schlag geführt:  „Er lehnt die Chance ab, seiner offensichtlichen Passion in offizieller , vor allem bezahlter Mission nachgehen zu können; das macht ihn unglaubwürdig und schürt leider auch genau die Vorurteile, mit denen sich Hartz IV-Empfänger laut Arbeitsagentur oft konfrontiert sehen-nämlich zu wählerisch und nicht arbeitswillig zu sein.“

Was hier passiert ist, ist die hohe Schule eines PR-Manövers: Entweder der Mann lässt sich einstellen und fegt täglich von 6 bis 14.30 Uhr, was ihm aufgetragen wird.  Dann hat er nichts zu melden, jedenfalls nicht öffentlich. Seine Wirkung, die auch bei den Mainzern spürbar groß ist, die sich fragen „Wieso findet der Mann so viel Müll in unseren Grünanlagen?“, wäre einkassiert. Oder er lehnt ab, dann kann man ihn in der zitierten Weise vorführen: Er hat sich unglaubwürdig gemacht. Ein Manöver also, das in jedem Fall zum Sieg der Verwaltung über den eigensinnigen Mann aus Kröv führt. Ein Lehrstück einer Diffamierung.

Dazu muss man noch wissen:  Schäfer hatte lediglich die Aufforderung erhalten , seine Unterlagen einzureichen  (welche  im einzelnen , erfuhr er aus dem besagten Presseartikel) . Zum Zeitpunkt des Erscheinens des Zeitungsbeitrags (und bis heute nicht) hat man ihm ein schriftliches Angebot über Arbeitszeit, Arbeitslohn und sonstige Bedingungen vorgelegt. Eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch gab es nicht. Das alles zeigt, mit welchen Tricks gearbeitet wurde um des Erfolgs willen: den Robin Hood des Abfalls wahlweise an die Kette  zu legen oder an den Schandpfahl zu binden.

Schäfer sammelte übrigens einige Tage nach dem Erscheinen des Zeitungsartikels mal wieder für zwei Tage in Mainz zwischen Lerchenberg und Bruchwegstadion. Ergebnis 5500 Liter Müll. Ein Bürger, berichtet Schäfer, habe sich gewundert, dass er um sieben Uhr morgens am Bruchwegstadion unterwegs war. Er habe gedacht, Hartz Vierer könnten so früh nicht aufstehen. Die Mainzer Presse berichtete dieses Mal  nicht. Sie hatte ihren Teil ja schon geleistet.

Was kann man aus dem Vorgang lernen? Bürgerengagement mit Eigensinn hat es schwer.

Die Vorstellung, dass nach gründlichem Kennenlernen die Stadtverwaltung beschlossen hätte, den Schäfer machen zu lassen, wie er es für richtig hält, wann und wo und im Kontakt mit den Bürgern und ihm für sein Tun eine kleine Gage zu zahlen , kurzum diesem Lebenskünstler seine Kunst zu lassen, rosa Säcke am grünen Straßenrand , adrett und mit freundlichem Gruß an die Bürger aufgereiht, kommt den Verantwortlichen nicht in den Sinn. Es übersteigt ihre Phantasie.

Bürgerengagement hat nach den Gesetzen der Verwaltung zu funktionieren, dann gibt es am offiziellen Müllsammeltag sogar ein warmes Mittagessen.

Man könnte mit diesem Querkopf aus Kröv  außerordentlich erfolgreich für nachbarschaftliches Müllsammeln und gegen Umweltverschandelung werben. Jugendliche zumal werden durch solchen Eigensinn besser erreicht als durch die üblichen Appelle. Der (zunächst) unbekannte Mann, der durch die Wälder und Grünanlagen streift und zu ungewöhnlichen Zeiten und ungewöhnlichen Orten Müll sammelt, erregt enorme Aufmerksamkeit, wie man im Netz nachverfolgen konnte, als er unlängst in einem anderen Distrikt unterwegs war. „Wer ist das? Was macht der da? Warum macht der das? Für mich ist das ein Alltagsheld“ lauten die Kommentare. (Einfach mal Rainer Schäfer, Deutsche Edelsteinstraße googeln)

Von einer „Einmischung in die eigenen Angelegenheiten“ sprach der Schweitzer Schriftsteller Max Frisch. Genau darum geht es. Auch in Mainz wird es weiterhin genug Bürger geben , die sich freuen, wenn der Robin Hood des Abfalls immer mal wieder auftaucht. Hupkonzerte, Worte der Anerkennung, Brötchen und Becher mit Kaffee als kleiner Dank der kleinen Bürger werden ihn begleiten.

Mit besten Grüßen

Henning v. Vieregge

Schäfers Weihnachtsgruß

Das war Weihnachten. Die Mainzer hat’s gefreut. (wenn auch nicht alle). Hoffentlich gibt es rosa Müll zu Ostern.

dpa  Video: http://www.sueddeutsche.de/politik/unterwegs-mit-dem-abfall-robin-hood-1.1905668

Wenn 68er 68 werden . Ein Online-Vortrag

29 Jan
29. Januar 2014

Nr.61/Februar 2014

Guten Tag,

meinen Vortrag  „Wenn 68er 68 werden – Alter und bürgerschaftliches Engagement“ist nun unter zwei Links ansehbar

http://online-ringvorlesung.de/
http://vts.uni-ulm.de/query/longview.meta.asp?document_id=8724

Der Vortrag wurde am 30. Mai 2012 im Rahmen der Online-Ringvorlesung „Altern – jeder für sich oder alle gemeinsam?“ gehalten und ist nicht inaktuell geworden.

 

Mit besten Grüßen

Henning v. Vieregge

Frühling der Barbaren, eine Buchempfehlung

29 Jan
29. Januar 2014

Brief 59/ Januar 2014

Guten Tag

Wie dick ist der Firnis der Zivilisation? Dünn, sagt der Schweizer Autor Jonas Lüscher, Jg. 76, und liefert die Geschichte dazu. Titel : „Frühling der Barbaren“.  Wie reagieren englische Hochzeiter, fast alle junge erfolgreiche Finanzzocker, wenn sie in der Wüste erfahren, dass ihre Welt zerbrochen ist?  Das Tübinger Literarische Quartett um meinen alten Freund Max Steinacher hat dieses Buch an die erste Stelle ihrer Buchhitliste gesetzt.  Hier können Sie nachlesen, warum.

http://literarisches-quartett-tuebingen.de/rezensionen/barbaren/index.html

Mit besten Grüßen

Henning v. Vieregge

 

 

 

Darauf einen Eierlikör! Wie dürfen wir mit Hochalterigen umgehen?

03 Jan
3. Januar 2014

Brief 58/2014 vom Januar 2014

Guten Tag,

mich beschäftigen weiterhin die Kritik und der anschließende Nicht- Streit über die Korrektheit des Motivs „Eierlikör„.

Ich halte den Streit für exemplarisch.

eierlikör

 

 

Je unsicherer eine Gesellschaft im Umgang mit einer Gruppe ist, desto heftiger wird political correctness eingefordert. Das ist einerseits richtig, weil diese Gruppe besonders schutzbedürftig ist (oder doch zu sein scheint), andererseits kann solch zumeist übertriebene Schonhaltung den echten ehrlichen Diskurs verhindern. Nun also die Hochalterigen: Je mehr die Gruppe der fitten Alten im Zentrum der Gesellschaft ihren Platz behauptet („Der Ruhestand kommt später“), desto mehr wächst die Gefahr, dass die nächäletere Gruppe, die Hochalterigen, an den Rand gedrückt wird. Behilflich sind dabei ausgerechnet jene, die den Anspruch haben, sie zu vertreten. Offenbar wird unterstellt, die Betroffenen könnten ihre Interessen nicht selbst am besten vertreten.  Auch dieses Verhalten ist für viele Gruppen nachweisbar.

Zur Erinnerung:Es handelt sich um den 2. Sieger des Jugend-Wettbewerbs „Mach dich stark! Für andere!“, die ZMG, Aktion Gemeinsinn und bagfa gemeinsam durchgeführt haben. Der Wettbewerb wendet sich an junge Kreative, es geht um Anzeigenmotive für Zeitungen.  Der Berliner Seniorenbeirat hatte das Motiv kritisiert und die ZMG aufgefordert, das Motiv, das als Sieger Zeitungen zum pro bono Nachdruck angeboten worden war, zurückzuziehen. Hier die Kritik:

http://www.landesseniorenbeirat-berlin.de/index.php?ka=4&ska=-1&idn=18

Ich hatte daraufhin namens der Aktion Gemeinsinn eine öffentliche Veranstaltung mit der Verantwortlichen und Anderen angeregt. Zu meiner Überraschung ist der Berliner Seniorenbeirat diesem Vorschlag ausgewichen. Ich solle mich an die bundesweite Vertretung wenden , schreibt i.V. Vorstand Annett Kosche, Leiterin der Geschäftsstelle., ohne Angabe von Ansprechpartner und frei von näherer Begründung. „Zum Vorschlag der Aktion Gemeinsinn als einem bundesweit tätigen Verein wurde empfohlen,den Kontakt zu einer Seniorenorganisation auf Bundesebene aufzunehmen. Der Landesseniorenbeirat Berlin wird sich auf seine Aufgaben im Land Berlin konzentrieren.“ (Mail vom 28.11. 2013)  Warum  sich die Berliner zum bundesweit geschalteten Motiv zu äußern animiert fühlten, zur Diskussion dann aber nicht, bleibt ihr Geheimnis. Motto: Wir haben recht und wünschen keine Verunsicherung durch Diskurs. Aber: Wer kritisiert, muss sich auch kritisieren lassen. Und die Fakten kennen. Was sagen die Macherin der Anzeige, was die Jury?

Merle Rosen, 22, Kunstschule Alsterdamm, verantwortlich für Bild und Text der Anzeige, schreibt, sie habe die alte Dame über das Altersheim, in dem ihr Freund arbeite, kennen gelernt. Und weiter: „Ich freu mich total und hoffe, die alte Dame freut sich ebenso.“ (w&v 17/2013)  Juror Niklas Frings-Rupp, Miami Ad School „Das Motiv spricht nicht in Floskeln, sondern ist direkt und provokant. Es spricht aus dem Herzen und stellt humorvoll die Problematik dar.“  Der Abspann der Anzeige, die unten nochmals zur Diskussion gestellt wird, lautet:“ Vielen älteren Menschen ist Deutschland ist langweilig. Dabei können Gespräche mit ihnen sehr amüsant sein. Engagiere dich ehrenamtlich- davon profitieren beide Seiten.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer:

Die Debatte um richtige Altersbilder wird, kaum ist sie in Gang gekommen in Verabschiedung rein defizitärer Altersbilder, schon wieder durch political correctness Bemühungen verstellt. Korrektheitseinforderung statt Konfliktaustragung ist Ausweis von Schwäche.

Mit besten Grüßen und guten Wünschen für 2014

Henning v. Vieregge

 

 

Einzelkämpfer Rainer Schäfer persönlich Beitrag 57/2013

15 Dez
15. Dezember 2013

rainer_schaefer

Fünf  starke Gründe, ihn kennen zu lernen

Brief 57/2013 vom Dezember

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

Um es gleich zu sagen: Rainer Schäfer ist eine vielschichtige Persönlichkeit. Er regt fünffach zu einem differenzierten Bild.

Erstens: Hartz Vierer sind keine amorphe Masse

R_Schaefer_Nikolaus_xlJeder, sagt Rainer Schäfer, kann Hartz Vierer werden, einige Schicksalsschläge, mal nicht aufgepasst, schon bist du das. Schäfer verkörpert einen Typus, der bei Arbeitsämtern und anderswo noch nicht im Set der Vorstellung geschweige denn der Vorschriften ist: Ein Ehrenamtler, der den staatlichen Notunterhalt braucht, um sich sein Engagement  leisten zu können. Bürgerengagement und Ein-Euro-Job? Das ginge nur über eine einstellenden Institution, nicht als Einzelkämpfer. Schäfer wäre der Prototyp für ein bedingungsloses Grundeinkommen, wie es u.a. DM-Gründer Götz Werner fordert. Schäfers gesellschaftlicher Nutzen ließe sich nach Müllsäcken berechnen, da wäre die Vorbildfunktion noch gar nicht einbezogen.

Zweitens: Schäfer und der Nutzen des Ehrenamts

Er ist der lebende Beweis für die These, dass bürgerschaftliches Engagement Staat und Gesellschaft großen Nutzen bringen können. Im Müllsektor kennt er sich aus. Eine Stadtverwaltung mit offenen Ohren und Interesse an der Sache würde ihm als Scout und Botschafter nutzen. Er weiß aus Erfahrung und Beobachtung, wo Abfalltonnen falsch stehen oder fehlen. Er könnte den Kaminzug-Effekt erläutern. Wenn man ihn denn fragte. Er verkörpert drei wichtige Botschaften: Müll gehört nicht in die Landschaft, Bürger können helfen, die Heimat sauber zu halten und Menschen, die säubern, ( bezahlt oder unbezahlt), verdienen unseren Respekt.

Drittens: Schäfer ist der lebende Beweis für die Ungeschicklichkeit von Verwaltung und Politik im Umgang mit engagierten Bürgern.

Besonders Einzelwesen, Individuen, die ungefragt und unaufgefordert und ungeplant etwas für die Gesellschaft tun, stimmen Institutionen (übrigens nicht nur staatliche) ratlos bis aggressiv. Im Falle von Schäfer, der zum dritten Mal in Mainz aktiv ist in diesen Tagen, haben die Mainzer Verantwortlichen trotz Wiederholungsfall nicht viel gelernt. Beim nun ersten persönlichen Kontakt -Einladung in den Entsorgungsbetrieb – war wiederum vom Leiter oder gar der Dezernentin nichts zu sehen. Stattdessen wurde die Farce um das angebliche Einstellungsangebot fortgesetzt: Abteilungsleiter Strack outete sich als Pressemann ohne Befugnis für Personalangelegenheiten, der Schäfer aufforderte, weitere Unterlagen einzureichen und vor all zu großen Hoffnungen warnte. Kein Dank, kein Essen, noch nicht einmal eine Tasse Kaffee oder ein paar Mülltüten gratis. Dahinter steckt freilich  mehr als persönliche Ungeschicklichkeit. Es hat mit Strukturen zu tun. Ämter verharren in Vorschriftenfallen, die sie sich selber gebaut haben, sind intensiv mit sich selbst beschäftigt und haben damit zu wenig Zeit für die Aufgaben, für die der Bürger sie bezahlt und ahnen bei Neuem, dies könnte anstrengender sein als das Gewohnte.  Da könnte Schäfer , aus eigener Anschauung überaus glaubwürdig,   Vieles erzählen, was Verwaltung  nicht gern hört, schon gar nicht öffentlich. Zum Beispiel, warum der Gärtner vom Grünamt den Müll, der neben seinem Beet liegt, nicht mitnimmt.(Zuständigkeitsfrage?) Warum Ämter hilfsbereiten Bürgern keine Minijobs geben. Und mit welchem Recht staatliche Verwaltung dem Bürger die Ohren volljammert über Geldstreichungen, wenn der Bürger sich doch selber auch mit weniger Geld behelfen muss.

Viertens: Schäfer und die Medien.

R_Schaefer_Angela_xlRainer Schäfer sammelt seit 28 Jahren unentgeltlich Müll. Nun erst interessieren sich Zeitungen, SWR und ZDF usw. für ihn. Schäfer weiß vom Nutzen aber auch von den Gefahren medialer Aufmerksamkeit. Er ist als Amateur ein Medienprofi. Man muss immer wieder was Neues bieten, sagt er. Und hat sich einen Rucksack mit der Aufschrift  „Ich bin Rainer“ gebastelt, ein Wortspiel, auf dass er bei seinem Aufenthalt in der Bundeshauptstadt stieß. Dazu die Nikolausmütze und zur Weihnachtszeit noch einen weihnachtlichen Gruß an die Mainzer auf den Müllsäcken. Das bringt neues Bilder  und die mediale Neugierde schaukelt sich hoch. Schäfer ist klug genug, diesen Mechanismus zu durchschauen und sich nicht zum Medienopfer machen zu lassen.

Fünftens: Schäfer und die Dankbarkeit.

Für die Behauptung, Engagement tue auch dem, der sich engagiert, gut, ist der schlaue Mann aus Wittlich Kronzeuge. Wenn die Kassiererin an der Kasse des Baumarktes in Mainz, wo er sich eine neue Zange zum Müllaufheben besorgte, „Danke für Ihr Tun“ sagt, freut ihn das. Wenn ihm jemand etwas zu Essen oder Trinken zusteckt, weiß er sogar um den Effekt der doppelten Freude einer solchen Tat: Schenker und Beschenkter belohnen sich beide. Ich fahre am Abend wieder nach Haus, sagt Schäfer beim Abschied, auf den Campingplatz in der Eifel. Zum einen sei er das seinem Kater schuldig, zum anderen könne er bei der Fahrt den Tag nochmals durchdenken. Es passiere zur Zeit so viel.

Herzliche Weihnachtsgrüße

Henning v. Vieregge

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